Wohlstandsinseln und Armutsviertel – hängt Berlin die sozial Schwachen ab?

Veröffentlicht am 27.01.2010 in Abteilung

Professor Hartmut Häußermann ist Mitverfasser des Berliner Sozialatlasses und hat sich als kritischer Beobachter der Lebens- und Wohnsituation in der Stadt einen Namen gemacht. Im Gespräch mit der Rundfunkjournalistin Lisa Steger sprach er bei einer mit 80 Zuhörern gut besuchten Veranstaltung in der GLS-Sprachschule in der Kastanienallee über „Wohlstandsinseln und Armutsviertel“ und politische Rezepte gegen das soziale Auseinanderdriften der Stadtteile.

Er lobte zunächst den Ansatz der rot-roten Landesregierung, Programme wie das Quartiersmanagement aufzulegen, um gezielt Menschen zu helfen, die an sozialen Brennpunkten wohnen. Es sei allerdings wichtig, dass die Senatsverwaltungen bei diesem Thema enger zusammenarbeiten und die Probleme noch mehr als gemeinsame erkennen.
Völlig anders sei die Situation in wohlhabenderen Vierteln wie zum Beispiel dem südlichen Prenzlauer Berg. Vor 15 Jahren sei noch prognostiziert worden, dass das Gebiet zu verarmen drohe, doch vor allem durch den Zuzug von Gutverdienenden sei das komplette Gegenteil eingetreten. Den Begriff „Gentrification“ versuchte Häußermann zwar zu vermeiden („mittlerweile zum wenig aussagekräftigen Kampfbegriff geworden“), aber auch er bedauert, dass ein Großteil der alten Bevölkerung durch den Zuzug einer kaufkräftigeren Schicht verdrängt worden sei. Um gegenzusteuern, müsse Berlin dringend die 2003 getroffene Entscheidung, aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus auszusteigen, rückgängig machen. Doch er räumte ein: „Das hilft natürlich keinem, der bereits verdrängt wurde.“
In begehrten Vierteln Mietobergrenzen festzusetzen, halte er zwar grundsätzlich für richtig, sagte Häußermann. Doch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das 2006 diese Praxis verbot, sei bindend. Ansonsten seien die Mittel, den Wandel eines Wohnquartiers zu verlangsamen oder zu stoppen, rar. Er appellierte allerdings an die Stadtplanungsämter, bei Neubauvorhaben kritischer hinzusehen und nannte als negatives Beispiel die seiner Ansicht nach zu dichte Bebauung des „Marthashof“ an der Schwedter Straße.
In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um Formen des Protestes gegen „Gentrification“. Autos abzubrennen, so Häußermanns Standpunkt, sei als politischer Protest der falsche Weg. „Denn dabei ist völlig unklar: Gegen wen genau richtet sich die Aktion und was soll sie uns sagen?“. Ein weiterer Fragesteller wollte wissen, ob es positive Beispiele für die Bekämpfung der sozialen Entmischung in anderen europäischen Städten gebe. Häußermann verwies auf die Auflage in Frankreich, der zufolge jede Stadt mit mehr als 20 000 Einwohnern verpflichtet sei, sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Und er riet, doch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht - wie in den USA - sinnvoll wäre, Kinder aus ärmeren Vierteln mit dem Bus in wohlhabendere Gegenden zu bringen, um wenigstens in den Schulen eine bessere Durchmischung hinzubekommen.

 
 

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