Blutrote Roben: Abteilung 15 und AsJ Pankow besuchen Ausstellung über Nazi-Volksgerichtshof.

Veröffentlicht am 20.06.2018 in Geschichte

Blutrot wie die Roben der Richter sind die Schilder der Ausstellung „Terror durch ´Recht´- Der Volksgerichtshof 1934-1945“, die die Abteilung 15 Kollwitzplatz und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (AsJ) Pankow am 24. Mai gemeinsam besichtigt haben. „Mein Wunsch ist, dass die Menschen hier rausgehen und sagen: Demokratie ist gar nicht so schlecht“, sagt Claudia Steur, Kuratorin der Ausstellung "Terror durch Recht" im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, am Ende ihrer Führung.

Auch für erfahrene Jurist*innen bietet die Ausstellung viel Neues: Wie sich ein Gericht unter politischen Vorgaben im Laufe der Jahre entwickelt. „Es wurde immer radikaler", berichtet die Kuratorin. Anfangs sprachen die Richter am Volksgerichtshof noch halbwegs normale Urteile, am Ende sprachen sie Todesurteile in Serie. Zudem wurden die Angeklagten vom Gerichtspräsidenten Roland Freisler gnadenlos zusammen geschrien. Freisler selbst hat sein Verständnis von Rechtsprechung zynisch so formuliert: „Was der Führer von uns verlangt, uns so oft gesagt hat, uns stetig vorlebt, ist also das Gesetz unserer politischen Rechtsprechung."


Die Ausstellung zeigt die Mechanismen auf, die zur Etablierung des NS-Terrorgerichtes geführt haben. Oder wie es der englische Untertitel der Ausstellung gut beschreibt: „When Nazi Terror became law". Wie es dazu kam, dass der sogenannte Volksgerichtshof spätestens unter Freisler als dessen Gerichtspräsident „absolut auf dem Weg zum Terrorgericht" war, erklärt Steur so: „Terror braucht immer Öffentlichkeit - und solch ein Gericht hatte das." Ihre Lehre aus der dramatischen Geschichte: „Politik soll sich nie einmischen in Justiz."


Zur Ausstellungseröffnung sagte Katarina Barley (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz: „Im Nationalsozialismus wurden Juristen zu Erfüllungsgehilfen eines verbrecherischen Regimes und in viel zu vielen Fällen viel zu willige Handlanger. Dies ist ein besonders dunkles Kapitel in der Geschichte unserer Zunft – das erinnert und aufgearbeitet werden muss." Besonders schlimm: „Nicht ein einziger von ihnen – den am Volksgerichtshof tätigen Juristen – wurde von einem bundesdeutschen Gericht rechtskräftig verurteilt". „Dies ist die unrühmliche Nachgeschichte des Volksgerichtshofs, dessen Untaten nach 1945 kaum noch jemand wahrnehmen wollte", so Barley.


Die Ausstellung ist auch deshalb wichtig, weil sie Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart zieht. Denn, so Katarina Barley, „wir erleben auch in Deutschland, dass Populisten den Rechtsstaat infrage stellen. Der demokratische Rechtsstaat ist keine Selbstverständlichkeit mit Ewigkeitsgarantie. Vielmehr müssen wir Freiheit, Sozialstaat und Gleichheit jeden Tag und immer wieder aufs Neue erkämpfen." Dabei gehe es nicht nur „um Angriffe auf Einzelne, sondern auf die Freiheit von uns allen. Es ist unser aller Aufgabe, den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat nicht zu schwächen, sondern zu stärken."


In drei Räumen mit 230 Fotos und Dokumenten zeichnet die Ausstellung den Weg nach: von einem zunächst noch juristisch ordentlich argumentierenden Gericht hin zu einem Terrorinstrument.


Unter den Prozessen des Nazi-Volksgerichtshofs, die stellvertretend für das System dokumentiert werden, sind auch die Fälle Erich Ohser und Alfred Lowack. Ohser, bekannt unter anderem durch seine Comicstrips „Vater und Sohn“, die auch in sozialdemokratischen Zeitungen erschienen. Er wurde als Gegner der Nazis von einem Nachbarn, einem Wehrmachts-Hauptmann, denunziert und am 28. März 1944 zusammen mit seinem Freund Erich Knauf verhaftet. Der Prozess vor dem Volksgerichtshof sollte am 6. April von Roland Freisler eröffnet werden. Ohser erhängte sich in der Nacht zuvor.


Der Schriftsetzer Alfred Lowack war 1935 zusammen mit vier anderen Genoss*innen in der Bezirksleitung der SPD engagiert. Die SPD war bereits 1933 durch Hitler für verboten erklärt worden. Ohser und die vier Genoss*innen wurden verhaftet und vom sogenannten Volksgerichtshof zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.


Die sehr sehenswerte Ausstellung kann bis 21. Oktober besichtigt werden. Der Eintritt ist kostenlos.

 

 
 

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